- recheninstitut
- Sep 29, 2009
- Benotung, Erlass, LernberaterIn, Rechenschwäche, Richtlinien
Richtlinien der Bildungsdirektion Niederösterreich
Aktualisierte Richtlinien der Bildungsdirektion Niederösterreich
Im Mai 2022 hat die Bildungsdirektion Niederösterreich ihre „Richtlinien für den Umgang mit SchülerInnen mit ‚Rechenschwäche'“ aktualisiert. Allen Interessierten wollen wir hier die aktuelle Fassung der Richtlinien zum Download anbieten:
Aktualisierte Richtlinien 2022
Darüber hinaus weisen wir im Folgenden auf einige unseres Erachtens besonders wichtige Punkte gesondert hin:
Berücksichtigung aller Kinder, die gezielte Förderung benötigen
Die Richtlinien beziehen sich explizit auf alle Kinder, die „durch grundlegende Defizite im Verständnis von Zahlen/Stellenwerten/Grundrechenarten im weiteren Erwerb der Grundschulmathematik beeinträchtigt und daher förderbedürftig sind“. Eine Einschränkung der in den Richtlinien geregelten Maßnahmen auf Kinder, die der innerwissenschaftlich umstrittenen Definition einer „Rechenstörung“ nach ICD-10 genügen, wird bewusst nicht vorgenommen.
Unterstützung der Klassenlehrkraft durch schulinterne ExpertInnen
Die Richtlinien sehen vor, dass die Klassenlehrerkraft bei Verdacht auf „Rechenschwäche“ die Unterstützung durch eine schulische Fachkraft („LernberaterIn Mathematik“) anfordern kann.
Die Aufgaben dieser Fachkraft umfassen u.a.
- die Erstellung differenzierter Lernstandsanalysen als Grundlage dafür, einen gezielten Förderplan zu erstellen;
- die fortlaufende Beratung der Klassenlehrkraft über die Möglichkeiten, eine gezielte Förderung des Kindes oder zumindest eine angemessene Berücksichtigung seiner Schwierigkeiten auch im Rahmen des Klassenunterrichts bzw. im Förderunterricht zu verwirklichen;
- die mathematikspezifische Förderung von „rechenschwachen“ Kindern im Rahmen von Kursen
Förderung in „Kursen“
- „Kurse“ für förderbedürftige Kinder haben gemäß den Richtlinien „zumindest zweimal pro Woche in angemessenem Umfang stattzufinden“.
- Es sind mindestens 3, höchstens 5 Kinder in einer Gruppe zusammenzufassen, wobei die Förderung selbst dann aber explizit auch „Einzelarbeit“ umfassen kann.
- Zwischen Lernberaterin/Lernberater, der/die die Kurse durchführt, und Klassenlehrkraft „sind in regelmäßigen Abständen“ Koordinationsgespräche durchzuführen.
Möglichkeit der befristeten Aussetzung der Benotung
Nach Absprache mit der Lernberaterin/dem Lernberater kann die Klassenkonferenz die ziffernmäßige Leistungsbeurteilung eines „rechenschwachen“ Kindes während eines Unterrichtsjahres aussetzen (jeweils bis Ende Mai, in der vierten Schulstufe bis Ende des 1. Semesters). Dadurch soll es leichter gemacht werden, das Kind in der Förderung wirklich „dort abzuholen, wo es steht“ – und dem Kind zugleich erspart bleiben, durch schlechte Noten demotiviert und damit im Aufholprozess, der
durch die Förderung eingeleitet wurde, gebremst zu werden.
Die großen Fragen: Wird das auch umgesetzt? Durch wen?
Unser Verein hat im Jahr 2007 unter dem Titel „Was für rechenschwache Kinder geschehen muss“ einen Forderungskatalog erstellt. Viele der darin enthaltenen Forderungen für den schulischen Bereich decken sich weitgehend mit den nun erlassenen Richtlinien für Niederösterreich. Das freut uns natürlich.
Zugleich sehen wir das große Fragezeichen: Werden diese Richtlinien auch umgesetzt? Oder bleibt es bei einem Stück Papier, das in Schubladen oder Ordnern abgelegt wird, aber die Schulwirklichkeit nicht ändert?
Zweierlei wird dafür ausschlaggebend sein:
- Ob LernberaterInnen tatsächlich zum Einsatz kommen, entscheiden (so steht es in den „Richtlinien“) die Bezirksschulräte „nach Maßgabe des Stellenplans“.
Nun ist es im Grunde ja ganz einfach: Wenn die Schulbehörde in Niederösterreich wirklich Verbesserungen für rechenschwache Kinder erreichen will, dann muss sie den Förderbedarf erheben (was nicht besonders schwer wäre) und den Stellplan nach diesem Bedarf ausrichten. Wird aber der gegenwärtige Stellenplan (der ja nicht auf den Förderbedarf rechenschwacher Kinder ausgerichtet ist) zum Maßstab erhoben, wie sollen dann die erst durch die neuen Richtlinien möglichen neuen Maßnahmen in nennenswertem Umfang verwirklicht werden können? - Damit LernberaterInnen eingesetzt werden können, muss es sie geben. Derzeit haben in ganz Niederösterreich 39 KollegInnen die zeitaufwändige, anspruchsvolle Ausbildung zur Lernberaterin/zum Lernberater absolviert und könnten daher gemäß diesen Richtlinien tätig werden („nach Maßgabe des Stellenplans“…).
39 LernberaterInnen für aktuell (lt. Homepage des Landesschulrates) 660 Volksschulen. Wir verzichten darauf, dieses Verhältnis zu kommentieren und zitieren aus der Fachliteratur: „Ca. 15 % der Schüler haben eine mindestens förderungsbedürftige Rechenstörung.“ (Lorenz & Radatz: Handbuch des Förderns im Mathematikunterricht, Hannover 1993)